Der sogenannte Führerscheintourismus nach Tschechien und Polen erfährt seit mehreren Jahren regen Zulauf. Einerseits gibt es viele interessierte deutsche Verkehrssünder, denen die Fahrerlaubnis entzogen wurde und bei welchen der Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis entweder eine Sperrfrist oder eine Untersuchungsanordnung nach § 11 FeV (sog. medizinisch-psychologische Untersuchung oder „MPU“) entgegensteht. Anderseits werben die „Veranstalter“ dieser Führerscheinfahrten mit schnellen und günstigen Angeboten bei scheinbarer Legalität.

Die Voraussetzung für die Anerkennung der EU-Fahrerlaubnis, die ein Mitgliedsstaat ausgestellt hat, ist gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchstabe e der Richtlinie 2006/126/EG ein Wohnsitz im Ausstellungsmitgliedsstaat im Sinne des Art. 12 der Richtlinie. Diese Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von Fahrerlaubnissen, die ein EU-Mitgliedsstaat erteilt hat, gilt jedoch nicht, wenn entweder Angaben im zugehörigen Führerschein oder andere vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührende Informationen vorliegen, die darauf hinweisen, dass das Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten wurde (vgl. BayVGH – 11 CS 16.1230 vom 22.08.2016). Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH (vgl. – C-476/01 vom 29.04.2004) darf zudem nicht verkannt werden, dass die Sperrfrist vor Ausstellung der Fahrerlaubnis abgelaufen sein muss.

Die häufig entscheidende Frage, ob das Wohnsitzerfordernis eingehalten wurde, beschäftigt zunehmend die Rechtsprechung. Dabei muss die Annahme eines Scheinwohnsitzes aufgrund der vom Ausstellungsmitgliedstaat stammenden Informationen nicht bereits abschließend erwiesen sein. Es werden regelmäßig alle Informationen verwertet, die darauf „hinweisen“, dass der Inhaber des Führerscheins auf dem Gebiet des Ausstellungsmitgliedsstaates einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, die strengen Ausstellungsbedingungen des tatsächlichen Wohnsitzes zu umgehen. Zur Beurteilung dieser Frage dürfen Umstände des gesamten Falles herangezogen werden, im Ergebnis auch die „inländischen Umstände“ (vgl. BayVGH – 11 CS 16.1084 vom 11.07.2016).

Ein ordentlicher Wohnsitz wird nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV angenommen, wenn der Betroffene wegen seinen persönlichen und beruflichen Bindungen gewöhnlich (d.h. während mindestens 185 Tagen im Jahr) im Inland wohnt. Liegen die persönlichen Bindungen im Inland, die beruflichen jedoch in einem anderen Mitgliedsstaat der EU, bestimmt sich der Wohnsitz nach dem Ort an den die Person regelmäßig zurückkehrt (§ 7 Abs. 1 Satz 3 FeV). Im Einzelfall kann jedoch der Mitgliedsstaat der EU einen Wohnsitz begründen, wenn die Person z.b. zur Ausführung eines Auftrages von bestimmter Dauer in diesem Mitgliedsstaat aufhältig ist (§ 7 Abs. 1 Satz 4 FeV).

Die tatsächliche Beurteilung ob ein Wohnsitzverstoß vorliegt, bemisst sich daher an vielerlei Umständen des Einzelfalls und bedarf der umfassenden und eindringlichen Überprüfung.

Ergebnis

Sollten Sie einen Bescheid, in dem gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV festgestellt wird, dass Sie nicht berechtigt sind, mit der tschechischen oder polnischen Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu führen (üblicherweise unter Anordnung der sofortigen Vollziehung – sog. Sofortvollzug) und eine Aufforderung zur Vorlage des Führerscheins zur Anbringung eines Sperrvermerks (regelmäßig mit der Androhung eines Zwangsgeldes) erhalten, sollten Sie nicht zögern einen Rechtsanwalt zu kontaktieren.
Treten Sie mit Rechtsanwalt Rothholz in Berlin – Kanzlei für Verkehrsrecht und Strafrecht – in Kontakt. Die Anwaltskanzlei Rothholz berät und vertritt Sie gerne bundesweit in Ihrer Führerscheinangelegenheit.